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Veränderung benötigt Zeit – mit Ute Kranz

Meine nächste Interviewpartnerin ist die Autorin und Journalistin Ute Kranz. Ute ist ehemalige Geschäftsführerin, Reise-Expertin, langjährige Globetrotterin und laut Faktenkontor sogar die Gründerin einer der wichtigsten deutschen Blogs von Frauen.


Sie bezeichnet sich selbst als Aussteigerin und ist auf der Suche nach zeitgemäßen, umwelt- und klimafreundlichen Lebens- und Reisekonzepten. Genau das ist auch der Kern unseres Gespräches: Lebenskonzepte, die authentisch sind und wirklich zufrieden machen.


Genau das ist auch der Kern unseres Gespräches: Lebenskonzepte, die authentisch sind und wirklich zufrieden machen.



Du findest dieses Gespräch im humansarehappy Podcast unter anderem hier: Anchor Apple Breaker Google Spotify



Loslassen, das eigene Leben auf den Kopf stellen & Lebensfreude finden


Um Utes Sichtweise auf das Leben nachvollziehen zu können, muss man ihre Geschichte kennen: Schon früh hat Ute einen sehr anspruchsvollen Job, sie übernimmt schnell viel Verantwortung. Ute arbeitet hart, wird geschäftsführende Gesellschafterin und verdient viel Geld. Obwohl es beruflich steil bergauf geht, verspürt sie eine immer größer werdende Unzufriedenheit. Der knapp bemessene Urlaub ist ihr einziges Ventil, das sie regelmäßig zum Reisen nutzt. Reisen, das steht bei Ute für Freiheit. Irgendwann ist ihre Unzufriedenheit so groß, dass Ute ihren Job an den Nagel hängt. Sie kündigt und nimmt sich einige Zeit frei – und macht eine Weltreise. Anfangs reist Ute schnell. Von Ort zu Ort, von Highlight zu Highlight. Bis sie merkt, dass die Intensität der Highlights immer stärker abnimmt, obwohl ihre Frequenz sogar zunimmt. Ute entschließt sich, langsamer zu reisen. Schließlich kommt sie an einen entscheidenden Punkt: Sie erkennt, dass das Reisen ihre inneren Fragen ihr nicht beantworten kann. Um herauszufinden, wer sie eigentlich wirklich ist und was sie ausmacht, sind die Reize im Außen auf Reisen zu groß. Ute geht zurück nach Köln, sie entwickelt einen minimalistischen Lebensstil. Anfangs lebt sie sogar ohne Wohnung, nur in ihrem Auto oder bei Freund:innen.



Wieder auf Start

Es vergehen Jahre. Bereits während ihrer Reisen startet Ute einen Reiseblog. Dieser ist mit der Zeit so stark gewachsen, dass er es ihr ermöglicht, durch Werbekooperationen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein Traumjob. Vordergründig. Mit der Zeit erkennt Ute, dass sie vor einer unüberwindbaren Herausforderung steht. Auf der einen Seite steht das, was von ihrem Reiseblog aus Sicht von Leser:innen und Kooperationspartner:innen erwartet wird. Auf der anderen Seite stehen Ute Werte. Wie man es dreht und wendet: beides lässt sich einfach nicht miteinander verbinden: Da Werbung auf einem Reiseblog nicht etwa, wie bei YouTube, zwischen zwei Videos zwischengeschaltet werden kann, ist Ute gezwungen, konkrete Reisen oder Produkte zu bewerben. Mit der Zeit wird ihr klar, dass sie so nicht authentisch bleiben kann. Es ist zwar Utes Wunsch weiterhin zu reisen, nicht aber, eine heile Welt zu vermitteln wo keine ist. Und auch nicht Produkte zu bewerben, hinter denen sie nicht steht. Um sich die Möglichkeit zu erhalten, das Reisen weiterhin so zu gestalten, wie sie möchte und das zu berichten, was ihr wichtig ist, legt sie schließlich auch ihre Tätigkeit als Reisebloggerin wieder nieder.


"Jetzt mache ich diese Tür zu, belasse es als Hobby & dadurch ergeben sich wieder neue Wege."


Eine Lebensphase, die jetzt stimmt

Mit der Zeit besitzt Ute immer weniger Dinge. Sie merkt, dass sie all die Sachen, die sich als Geschäftsführerin gekauft hatte, nicht wirklich benötigt. Je mehr Dinge sie besitzt, umso mehr muss sie sich auch darum kümmern. Heute setzt Ute alles, was sie besitzt, möglichst multifunktional ein. So verwendet sie ihre Campingstühle beispielsweise auch in ihrem Garten, anstatt sich extra Stühle für den Garten zu kaufen.


Früher habe sie ein sehr unbewusstes Leben geführt, sei mit 200 km/h durchs Leben gefahren, sagt Ute von sich selbst. Dadurch sei wahnsinnig viel an ihr vorübergegangen, was wichtig, lebenswert und liebenswert ist. Aber wenn man nur mit 80 km/h fahre, würde nicht nur das Blickfeld, sondern auch der Genuss viel größer.


Minimalismus beutet für Ute, sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen als mit den Dingen, die im Außen passieren. Es gehe darum, seinen inneren Reichtum zu leben. Ob sie diesen Lebensstil für immer beibehalten möchte, hält Ute sich offen: "Es ist etwas Wundervolles, dass man das Leben in Phasen genießen kann."



Ist Geld wichtig für das Wohlbefinden?

Ich möchte gerne wissen, welche Rolle Geld für Ute spielt, gerade in Kombination mit ihrem jetzigen Lebensstil. Darauf entgegnet mir Ute, dass ihr Lebensstil vor allem einen Preis habe, den viele Menschen oft gar nicht sehen. Sie habe eine kleine Wohnung, konsumiert wenig und kauft viele Dinge gebraucht. Auch spontane Reisen sind mit ihrem aktuellen Einkommen nicht mehr möglich. Diesen Preis freiwillig zu bezahlen, dazu seien nach Utes Meinung viele Menschen gar nicht bereit.


Aber auch mit einem sehr geringen Maß an Ausgaben benötigt man ein Einkommen. Als Selbstständige:r seien rund 2.000 – 3.000 Euro Brutto schon nötig, erzählt Ute aus Erfahrung. Als sie ihr Geld mit dem Reiseblog verdiente, musste sie dafür viele Kompromisse eingehen und Dinge bewerben, hinter denen sie selbst nicht stand. Natürlich müsse man auch als Arbeitnehmer:in Kompromisse eingehen, weiß Ute. Der Unterschied für sie ist aber, dass man in diesem Moment oft nicht mit dem eigenen Gesicht für die Arbeitgeber:in in der Öffentlichkeit stehe und diesen in der Regel relativ schnell wechseln könne. Von einem Reiseblog zu leben, bedeutet demnach ein Leben mit sehr viel Arbeit, wenig Einkommen und keinem wirklichen Urlaub.


Ute stellt klar, dass Geld grundsätzlich eine sehr große Bedeutung habe, wenngleich es niemals das Wichtigste ist. Wenn man aber in einen finanziellen Bereich rutscht, in dem man Existenzängste habe, befindet man sich schnell in einem lähmenden Zustand. Ihre großen Vorteile hierbei spricht Ute offen an: Sie habe bereits früher viel besessen, sodass ein Leben in Reichtum keinen großen Reiz mehr auf sie ausübe. Zusätzlich habe sie trotz ihres minimalistischen Lebensstils noch immer einzelne Gegenstände, die sie zur Not verkaufen könne.



Loslassen – ein Schlüssel zu Zufriedenheit

Die Kunst sei es, herauszufinden, worin die eigene Leidenschaft liegt und wie man damit Geld verdienen könne. Viele Menschen mögen dieses Szenario direkt abtun und sagen, dass dies sowieso nur die wenigsten könnten. Aber für Ute ist genau dieses Experiment jeden Aufwand wert. Eine ihrer wichtigsten Erkenntnisse dazu ist, dass alles im Leben seine Zeit benötigt.


Es gebe viele Bücher, die auf knapp 250 Seiten abhandeln, wie man seine Berufung findet. Ute schaut mit einem kritischen Auge auf diese Ratgeber. Klar können die vermittelten Tipps helfen und für Einzelne nützlich sein. Am Ende geht es für Ute aber darum, selbst zu experimentieren. Man müsse schauen, was wirklich gelingt. Aufmerksam sein, wie andere Menschen reagieren, ob wirklich Geld reinkommt. Gleichzeitig gehe es darum, sich selbst ständig zu aktualisieren, sich zu fragen, ob man noch immer "bei sich" ist.


Utes Kündigung liegt jetzt 7 Jahre zurück. Sie hat seitdem eine Weltreise gemacht, von einem Reiseblog gelebt und diese Tätigkeit wiederum eingestellt. Heute lebt Ute vom Schreiben als Journalistin. Am Ende ihrer Reise sei sie aber noch lange nicht.



Die Herausforderung der vielen Zeit

Es ist Ute wichtig zu erwähnen, dass ihr Leben eine Herausforderung habe, die wenige wirklich (an)erkennen: Die viele freie Zeit, die Ute durch ihren Lebensstil zur Verfügung hat, sinnvoll zu füllen, sei eine große Herausforderung. Von außen betrachtet mag es sogar beneidenswert erscheinen, jeden Tag circa 18 Stunden zur freien Verfügung zu haben. Aber diese Zeit sinnvoll und zielführend zu verbringen, sei eine echte Herausforderung. Allzu schnell streichen die Stunden und Tage gleichmäßig dahin, ohne dass man an seinen eigentlichen Projekten arbeitet.


"Sich jeden Tag neu entscheiden zu müssen, was man jetzt macht, ist psychologisch gesehen sehr anstrengend."



Vertraue in das Leben

Ich möchte gerne wissen, ob Utes Verhältnis zum Thema Geld in den Jahren ihrer Selbstständigkeit gelassener geworden.


Ute erzählt mir, dass sie sich seit 4-5 Jahren in Abständen coachen lasse. Dadurch habe sie gelernt, dem Leben mehr zu vertrauen. Als Beispiel fügt sie eine Geschichte an. Als sie vor einigen Jahren einmal finanziell ins Minus gerutscht war und akute Geldsorgen hatte, fuhr ihr eine Frau in die Seite ihres Autos. Durch den entstandenen Blechschaden bekam Ute innerhalb kurzer Zeit von der Versicherung der Unfallverursacherin Geld, das ihr in ihrer Situation dringend weiterhalf. Zufall, kann man sagen. Doch Ute gibt an, mehrerer solcher Geschichten erzählen zu können. Sie betont, dass sie nicht abergläubisch sei, weder meditiere noch Traumfänger in ihrer Wohnung hängen habe. Sie habe einfach das Gefühl, vom Leben getragen zu werden.


Aus diesem Grund versuche sie, möglichst viel Gutes zu tun, anderen zu helfen oder Artikel zu schreiben, die Menschen weiterbringen. Das Gute komme auf anderem Wege zu ihr zurück, vertraut Ute. Genau dieses Vertrauen zu entwickeln, habe jedoch auch einige Zeit in Anspruch genommen und sei nur durch die Hilfe eines Coaches möglich gewesen.


"Ich vertraue darauf, dass das Leben mich trägt."



Balance zwischen Authentizität und Werten – Ein Drahtseilakt für die innere Zufriedenheit

Wie schafft man es, das eigene Leben authentisch und nach den eigenen Werten zu gestalten?


Auf diese Frage entgegnet Ute mir, dass es für sie vor allem darum gehe, Ablenkung zu vermeiden und immer möglichst nah bei sich selbst zu bleiben. Gerade im Internet ist das oft nicht einfach. Für umso wichtiger hält Ute es, den eigenen Feed möglichst sauber zu halten und stark zu selektieren, wem man beispielsweise auf Social Media folge. Gleichzeitig habe es eine immense Wichtigkeit, die eigene Aufmerksamkeit stets im Auge zu behalten und die eigenen Ziele und Interessen zu verfolgen. Voraussetzung dafür ist natürlich, diese überhaupt zu kennen.

Wer gerade am Anfang dieses Prozesses stehe, könne beispielsweise ein Mood Board erstellen, um sich darüber klarer zu werden, worauf er oder sie überhaupt hinarbeiten möchte. Bei der Frage "Was ist mir wichtig?" geht es für Ute weniger um immer stärkere Selbstoptimierung. Vielmehr gehe es darum, sich ehrlich zu fragen, wie man das eigene Leben auf eine "höhere Stufe" stellen könne. Dies begründet erneut die immense Wichtigkeit, sich möglichst nicht ablenken zu lassen & die Ziele anderer nicht als die eigenen zu nehmen. Wenn einen etwas stark reize, dann solle man dem auch Raum geben.


"Mich treibt an, Dinge zu erschaffen, die andere erfüllen und das erfüllt mich dann wiederum."



Die Wichtigkeit, Gefühle zu verstehen

Als eigenes Beispiel führt Ute eine Ausbildung im Bereich der gewaltfreien Kommunikation an, die sie selbst absolviert hat und die ihr Leben stark verbessert habe. Durch die gewaltfreie Kommunikation habe sie gelernt, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse, aber auch die Gefühle und Bedürfnisse anderer viel besser erkennen, verstehen und damit umgehen zu können.


Wenn ihr beispielsweise ein unbekannter Mensch einen beleidigenden Kommentar auf Social Media hinterlässt, hilft die gewaltfreie Kommunikation Ute dabei zu unterscheiden, inwiefern sie persönlich gemeint ist oder der Kommentar lediglich eine Spiegelfläche der Emotionen der betreffenden Person sei.



Wer will schon ankommen?

Resümierend betont Ute, wie wichtig der Faktor Zeit sei, um sich selbst "zu finden". Es gebe auch hier viele Bücher, die gerade von Weltreisenden geschrieben wurden und deren Aussage ist: "Jetzt habe ich mich selbst gefunden." Gerade dort ist Ute sehr kritisch. Ihre Kritik zielt vor allem auf das Wort "ankommen" ab. Ute bezweifelt, ob Menschen in ihrem Leben überhaupt ankommen. Sie selbst jedenfalls will gar nicht "ankommen".


"Ich weiß nicht, ob man überhaupt mal ankommt. Ich wollte gar nicht bei mir selbst ankommen, was soll denn danach kommen?! "


Ute geht es nicht ums Ankommen, es geht ihr um die Frage, was Menschen ganz individuell erfüllt. Dabei sei es wichtig, Veränderung den nötigen Raum zu geben. Sie betont: "Man kann nicht nur ein geiles Leben haben, wenn man ganz jung ist. Es gibt viele Lebensphasen, die alle einen besonderen Aspekt haben. Und man sollte sich auch die Zeit zu nehmen, diese Aspekte herauszufinden."


Dies unterstreicht auch Utes Antwort auf meine Frage, welchen Titel ihr Leben tragen könne, wenn es ein Buch sei. Ihre spontane Antwort ist: "Liebe Veränderung."


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Was ist Glück?


Die Frage "Was ist Glück?" oder "Wie werde ich glücklich?" führt schnell zu einem selbst. Sie führt zu Themen wie Sinn, Wohlbefinden oder Zufriedenheit. Und zu der Frage, ob das, was das eigene Leben ausmacht, als wirklich werthaltig empfunden wird. Dazu rate ich Dir, mit der ersten Folge von humansarehappy mit Dr. Ernst Fritz-Schubert "Was ist eigentlich Glück?" zu starten.

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