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Was Glück im Gehirn bewirkt – mit Dr. Burkhard Pleger


Im Gespräch mit Dr. Burkhard Pleger möchte ich gerne wissen, was eigentlich im Gehirn passiert, wenn wir Glück empfinden. Dabei interessiert es mich besonders, wie sich Glück und Zufriedenheit in der neurologischen Perspektive unterscheiden und wie sie sich gegenseitig bedingen. Also warum kann das, was einen Menschen einst mal glücklich gemacht hat, mit der Zeit unglücklich machen? Wieso ändert sich die mit einem Ereignis verbundene Ausschüttung von Glückshormonen? Und wie wirkt sich eine solche Verschiebung auf unsere Zufriedenheit aus?


Die wichtigsten Erkenntnisse

Die für mich wichtigsten Erkenntnisse aus dem Gespräch mit Dr. Burkhard Pleger sind, dass für ein langfristiges Lebensglück das nachhaltige Empfinden von Zufriedenheit die eigentliche Königsdisziplin ist. Und genau diese kann zu jedem Zeitpunkt erlernt werden. Durch die bewusste Annahme von Erwartungen an die Zukunft kann man zusätzlich die eigene Motivation steuern. Eine hohe Motivation gepaart mit einer optimistischen Erwartungshaltung kann wiederum einen solchen Antrieb verursachen, der in dem vermehrten Erleben von Glücksmomenten und dem sich Einstellen einer langfristigen Zufriedenheit mündet. Dabei bewahrt einen der maßvolle Genuss aller Dinge davor, dass Glück sich in Unglück oder Unzufriedenheit umkehrt. Sprichwörtlich sollte man sich dafür immer an der sogenannten "Sockelkante des Us" aufhalten. Das Verständnis für die neurologischen Vorgänge im Gehirn durch das Hervorrufen von Belohnungsantworten und wie sich die Rezeptorendichte dafür durch das häufige Hervorrufen dieser verändert, ist dabei von essenzieller Bedeutung.







Glück und Zufriedenheit sind zwei Paar Schuhe

Grundsätzlich lässt sich aus neurologischer Sicht zwischen Glück und Zufriedenheit unterscheiden. Das Empfinden von Glück ist, neurologisch gesehen, nichts weiter als das Hervorrufen einer Belohnungsantwort im Gehirn. Merkmal einer solchen Belohnungsantwort ist wiederum das Ausschütten eines Cocktails verschiedener Botenstoffe. Bei diesen handelt es sich beispielsweise um Endorphin, Serotonin oder Dopamin. Sie werden im Gehirn ausgeschüttet und über Andockstellen, sogenannte Rezeptoren aufgenommen. Je mehr Botenstoffe an den Rezeptoren andocken, desto intensiver ist das wahrgenommene Glücksgefühl. Allerdings ist der Vorrat dieser Botenstoffe im Körper endlich, sodass immer nur eine gewisse Menge an Botenstoffen ausgeschüttet werden kann. Dadurch sichert der Körper sich Zeit, um immer wieder genügend Botenstoffe nach zu produzieren. Dies bedingt allerdings auch, dass ein durch die Ausschüttung von solchen Botenstoffen ausgelöstes Glücksempfinden immer nur zeitlich begrenzt stattfinden kann.


Bei der Zufriedenheit sieht es dagegen anders aus, sie ist nicht an die zeitlich begrenzte Ausschüttung von Botenstoffe gebunden. Als Zufriedenheit kann in diesem Sinne das langfristig wahrgenommene "Lebensglück" bezeichnet werden. Dieses bedingt sich bereits durch die Gene, die ein Mensch vererbt bekommen hat. Wichtig ist hierbei allerdings auch das Zusammenspiel der vererbten Gene und der Umgebungsfaktoren, in denen ein Mensch aufwächst. Zufriedenheit ist also zum einen genetisch bedingt, wird aber vor allem in der frühen Kindheit entwickelt. Je nachdem, wie sich die dafür verantwortlichen Netzwerke im Gehirn in der frühen Kindheit ausprägen, hat ein Mensch später eine höhere oder niedrigere Wahrscheinlichkeit, eine hohe Zufriedenheit zu empfinden oder eben nicht.

Die gute Nachricht vorweg: Ein Mensch kann zu jedem Zeitpunkt etwas Neues lernen. Und da Zufriedenheit kognitiv wahrgenommen wird, ist es auch möglich, sie immer zu einem gewissen Maße zu erlernen. Da sich Zufriedenheit jedoch über einen sehr langen Zeitraum entwickelt und für das Erleben von mehr Zufriedenheit neue Sichtweisen antrainiert werden müssen, ist hierfür gegebenenfalls ein begleitendes Coaching nötig, um einen Perspektivwechsel zu provozieren.



Wie lässt sich Glück beforschen?

Sowohl Glück als auch Zufriedenheit sind sehr schwer zu beforschen. Da der mit einem Ereignis verbundene Wert von Mensch zu Mensch stark variieren kann, ist es für Forscher:innen sehr aufwändig, valide Daten zu in diesen Themengebieten zu erheben. Ein gutes Beispiel dafür ist das Tor von Mario Götze im Finale der Weltmeisterschaft 2014. Während im Moment des Tors die Menschen in Deutschland wahrscheinlich vorrangig ein hohes Glücksempfinden wahrgenommen haben, wird es in den fußballbegeisterten Menschen in Argentinien höchstwahrscheinlich genau gegenteilig ausgesehen haben. Des Einen Glück kann also, je nach Bewertung, des Anderen Leid bedeuten. Sehr viel einfacher wird es, wenn man Glücksempfinden am Beispiel von Essen oder Geld erforscht.



Wenn sich Glück in Unglück umkehrt

Am Beispiel von Essen können Neurolog:innen gut darlegen, warum Dinge, die einen Menschen ursprünglich einmal sehr glücklich gemacht haben, die also im Gehirn mit einem hohen Wert verknüpft waren, langfristig unglücklich bzw. unzufrieden machen können. Das ständige Ausschütten von glücklich machenden Botenstoffen führt nämlich zu einer neuen Ausrichtung der Aufnahme dieser Botenstoffe über die Andockstellen im Körper. Vereinfach gesagt wird dabei die Anzahl der Rezeptoren reduziert. Was vorher also zu einer hohen Glücksantwort geführt hat, macht nun nicht mehr so glücklich wie früher. Am Beispiel adipöser Menschen erklärt dies das Entstehen eines Teufelskreises: Wer sich bereits viel überessen hat, muss in Zukunft noch mehr überessen, um eine subjektiv gleiche Glücksantwort im Gehirn zu provozieren wie in der Vergangenheit. Dies erklärt, warum es unter anderem für adipöse Menschen sehr schwierig ist, abzunehmen. Gleichzeitig ist der Auslöser für ursprünglich hohe Glücksantworten im Gehirn nun der Auslöser für eine sich langfristig einstellende Unzufriedenheit. Ein ähnliches Muster ist auch bei der Entstehung von Drogensucht zu erkennen. Entscheidend ist allerdings die Erkenntnis, dass dieses Beispiel auf alles Mögliche übertragen werden kann. Es lässt sich aus neurologischer Sicht daher bestätigen, dass Glücksmomente weniger werden können, umso mehr man sie erfährt.



Mittelmaß macht glücklich

Um dies besser zu verstehen, kann man sich die Entstehung von Glück oder Unglück wie ein umgedrehtes U vorstellen. Möchte man nicht unglücklich werden, sollte man versuchen, sich dauerhaft in der Sockelkante des Us aufhalten (siehe Grafik oben). Am Beispiel Geld wäre das der Fall, wenn man über genügend Geld verfügt, um sich keine Sorgen über die eigene Existenz machen zu müssen, aber noch keine Sorgen hat, was man mit all dem Geld anstellen muss. Mit anderen Worten kann man festhalten: Ein gesundes Mittelmaß macht glücklich.



Das Glücksgen gibt es nicht

Es wird oft propagiert, dass es das Glücksgen gäbe, von dem das Glück und die Zufriedenheit maßgeblich abhingen. Aber diese Aussage ist zu einfach. Mitentscheidend für Glücksempfinden sind der Aufbau und Zusammenspiel verschiedener Hirnstrukturen und -Netzwerke und die Botenstoffe sowie die Rezeptorenstruktur. Das bedeutet, dass es ein riesiges Portfolio an Genen gibt, die für Glücksempfinden oder Zufriedenheit verantwortlich sind. Natürlich können Menschen nicht ihren Gencode durch Training verändern, allerdings lässt sich das Zusammenspiel der für Glück und Zufriedenheit zuständigen Regionen im Gehirn trainieren und verändern.


Neuroplastizität als Schlüssel mehr Wohlbefinden

Möchte jemand nun sein Glück bzw. seine Zufriedenheit durch das Einführen einer Dankbarkeitsroutine steigern, so führt das stetige Wiederholen der Routine zu einer Umstrukturierung im Gehirn. Dieser Vorgang wird als Neuronale Plastizität bezeichnet. Es findet im Gehirn dadurch vor allem eine Verknüpfung für das Empfinden von Glück und Zufriedenheit zuständigen Netzwerke und Regionen statt. Gleichzeitig findet auch eine Veränderung der zuständigen Netzwerke selbst statt. Dies lässt sich wie mit dem Trainieren von Muskelgruppen vergleichen. Durch das Training eines speziellen Muskels wird die intramuskuläre Koordination der Muskelfasern gesteigert. Durch das Training verschiedener miteinander zusammenhängender Muskelgruppen, beispielsweise bei einer Kniebeuge, wird die intermuskuläre Koordination der beteiligten Muskeln geschult. Der Trainingseffekt im Gehirn zieht allerdings kein Wachstum wie beim Muskeltraining nach sich, sondern resultiert in einer stärkeren Verknüpfung der bedienten Hirnnetzwerke. Es ist dabei bereits relativ gut erforscht, welche Netzwerke im Gehirn an diesen Prozessen beteiligt sind, nicht jedoch, wie genau sich das Veränderung des Zusammenspiels stattfindet.



Was immer glücklich macht

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und die Einbettung in soziale Strukturen benötigt. Es gibt sogar anatomische Hinweise, die diesen Schluss nahelegen. Beispielsweise hat kein anderes Säugetier auf der Welt weiße Augen: Durch den starken Kontrakt zwischen Auge und Pupille lässt sich der Mensch vom Gegenüber zwar in die Karten schauen, was er vorhaben könnte, lädt ihn aber auch dazu ein, mit ihm zu kommunizieren.

Die Erkenntnis, dass eine soziale Einbettung für Menschen notwendig ist und zu langfristiger Zufriedenheit führt, wird durch mehrere Studien gedeckt. Sie ist bis dato wahrscheinlich der einzige Punkt, in dem sämtliche Forschungsergebnisse über Glück übereinstimmen. Sehr gut dargelegt wird dies in der längsten Forschungsstudie zum Thema Glück von der Harvard University.



Was ist Motivation?

Am Ende unseres Gesprächs kommen wir auf das Thema der Motivation zu sprechen. Motivation ist aus medizinischer Sichtweise nichts weiter als ein Annahmefehler, ein sogenannter Prediktionsfehler. Dieser sagt aus, dass Annahmen, die wir über die Zukunft treffen, nie zu 100% eintreffen werden. Der Mensch neigt insgesamt dazu, überzogene Erwartungen an die Zukunft zu stellen. Je nachdem, ob ein Mensch aufgrund seiner Erfahrungen und der Struktur seiner Gene und seines Gehirns eher optimistisch oder pessimistisch veranlagt ist, wird die Annahme über die Zukunft variieren. Entscheidend ist allerdings, dass Menschen gleichzeitig immer dazu geneigt sind, ihren Prediktionsfehler möglichst gering zu halten. Je nachdem, welches Vorstellungsbild man nun bewusst oder unterbewusst von der Zukunft hat: man wird sein Handeln so auslegen, dass dieses Bild möglichst eintritt. Durch das bewusste Steuern einer Annahme über die Zukunft ist es demnach möglich, das eigene Leben entsprechend der eigenen Vorstellungen zu gestalten, was wiederum zu einer vermehrten Ausschüttung von glücklich machenden Belohnungsantworten, vor allem zu einer langfristigen Zufriedenheit im Leben führt.


Dr. Burkhard Pleger

Dr. Burkhard Pleger ist Neurologe, Oberarzt und wissenschaftlicher Projektleiter an der Neurologischen Klinik der BG-Universitätsklinik Bergmannsheil. In seiner beruflichen Laufbahn arbeitete Herr Pleger unter anderem am University College in London und am Max-Planck-Institut in Leipzig.


Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist es, welche Einflüsse Belohnungsantworten – also die Ausschüttung von sogenannten Glückshormonen im Gehirn – auf Entscheidungsmechanismen, wie z.B. die Nahrungswahl bei Menschen haben.


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Was ist Glück?


Die Frage "Was ist Glück?" oder "Wie werde ich glücklich?" führt schnell zu einem selbst. Sie führt zu Themen wie Sinn, Wohlbefinden oder Zufriedenheit. Und zu der Frage, ob das, was das eigene Leben ausmacht, als wirklich werthaltig empfunden wird. Dazu rate ich Dir, mit der ersten Folge von humansarehappy mit Dr. Ernst Fritz-Schubert "Was ist eigentlich Glück?" zu starten.


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